1. Einleitung
Tengwar ist die wunderschöne kalligraphische Schrift, die JRR
Tolkien
für seine Elfen erfunden hat. Dank ihrem logischen Aufbau
und
ihrem reichhaltigen Zeichenschatz eignet sie sich zur Darstellung von
vielerlei
Sprachen: Quenya, Sindarin, English, ja sogar die Schwarze Sprache von
Mordor
lassen sich damit darstellen.
Weil jede Sprache wieder andere Ansprüche an eine Schrift stellt,
gibt
es für jede dieser Sprachen einen eigenen Tengwar-Modus. In
diesem
Dokument möchte ich meinen Modus für die Deutsche Sprache
vorstellen. Gewiss ist es nicht der einzige seiner Art; was ihn jedoch
von seinen Artgenossen auf dem Internet unterscheidet, sind seine
Design-Ziele: Ästhetik und
Einfachheit.
Wer sich der Tengwar bedient, um Deutsch zu schreiben, wünscht
sich in erster Linie eine augenfällige, bezaubernde, fliessende
Kalligrafie; in zweiter Linie sollte das Schreiben und Lesen einer
solchen Inschrift nicht unnötig schwer fallen. Ich habe mich daher
bewusst gegen einen Versuch entschieden, der versteckten
Komplexität der Deutschen Phonemik akademisch gerecht zu werden,
und folge vielmehr im Grossen und Ganzen dem gewohnten Schreibbild der
Deutschen Sprache.
2. Allgemeines
Die Elbenschrift umfasst ein
reichhaltiges Sortiment an Buchstaben für Konsonanten, die
sogenannten Tengwar (Einzahl Tengwa) und eine Handvoll
Vokalzeichen (Tehtar, Einzahl
Tehta), die wie Akzente auf
die Tengwar gesetzt werden.
Wo
kein Konsonant zur Verfügung steht, bedient man sich eines
Tengwa ohne eigenen Lautwert,
des sogenannten
Vokalträgers.
Es gibt nun zwei Möglichkeiten zur Auswahl: Man kann die
Vokale
jeweils auf die vorhergehenden (CV) oder auf die nachfolgenden
Konsonanten
(VC) setzen. Die Tolkien'schen Modi für Englisch und
Sindarin
tun das Letztere, weil in diesen Sprachen die Mehrheit der Wörter
auf
einen Konsonanten enden. Im Englischen Modus wird zudem ein Punkt
unter
den letzten Konsonanten gesetzt, um ein stummes -e am Wortende
anzuzeigen.
Auch im Deutschen enden die Wörter mehrheitlich auf einen
Konsonanten
oder ein -e,
jedoch habe ich mich aus ästhetischen Gründen für einen
CV
Modus entschieden. Einerseits kommt man mit dem untersetzten
Punkt
für -e oftmals in Bedrängnis, wenn auf Grund von
anderen
Symbolen (zB Verdoppelungszeichen) der Platz unter dem Konsonanten
schon
gefüllt ist; andererseits führt die VC Notation dazu, dass
sich
die Vokalzeichen oft am Ende des geschriebenen Wortes unschön
ballen,
anstatt sich gleichmässig über den Schriftzug zu verteilen.
Schliesslich und endlich ist das -e
im Deutschen ja auch keineswegs stumm, sondern ein vollwertiger
Silbenkern,
und sollte deshalb auch standesgemäss repräsentiert werden.
3. Konsonanten
Die Hauptkonsonanten sind sehr
logisch aufgebaut: Die Spalten
bezeichnen
den Artikulationsort im Mund, während die Zeilen die
Artikulationsart
anzeigen. Ich habe soweit möglich die Deutsche Notation
für
die Beschriftung der Phoneme der Deutschen Sprache verwendet.
Für
Phoneme, die in Lehnwörtern vorkommen können, habe ich den
Lautwert
im Internationalen Phonetischen Alphabet angegeben (in grau).
Wie man leicht erkennt, gibt es zwei
Buchstaben, mit denen man
das r darstellt. Ich habe sie
mit "-r" und "r-" bezeichnet.
Nach
Tolkiens Tradition benützt man das Erstere für r's,
die
am Silbenende (nach dem Vokal) stehen, das Letztere aber für
solche am Silbenanfang (vor dem Vokal). Diese Unterscheidung ist im
Deutschen phonemisch: Die r's
in "Verein" und "bereit" klingen unterschiedlich (zumindest wenn man
keinen
Schweizer Akchzent hat ;-). Das liegt daran, dass das erste am
Silbenende
steht (Ver-ein), das zweite am Silbenanfang (be-reit).
Für das h gibt es
ebenfalls zwei Buchstaben. Tolkien
benützt konsequent den Buchstaben, der wie ein kleines Lamda
aussieht.
Ich möchte aber von dessen Verwendung abraten, weil er sich
sehr
schlecht dazu eignet, Vokalzeichen zu tragen. Stattdessen schlage ich
vor,
den freien Buchstaben in der Spalte der "gutturalen" Laute und der
Zeile der
Semikonsonanten
zu verwenden.
Achtung: Der Buchstabe
h
der Elbenschrift sollte nicht verwendet
werden, um Vokallänge anzuzeigen (zB in "fahren").
Dafür
gibt es, wenn überhaupt, den sogenannten langen Vokalträger
(siehe
nächstes Kapitel 4). Ebenso verkneife man es sich, fossile
h's wie in Rhythmus, Philosoph oder
Thron
in die Elbenschrift
übertragen zu wollen, und schreibe lieber
rütmus, filosof, tron.
3.1. Sonderzeichen
Es gibt zwei
Sonderzeichen, die den Wert eines Konsonanten ändern können.
Eine flache Tilde
unter
einem Konsonanten (zB
t,
b)
bedeutet Verdoppelung (
tt,
bb);
eine flache Tilde
über dem Konsonanten, aber unterhalb der
Vokale, steht für Pränasalisierung (
nt,
mb). Naheliegenderweise gilt
ck einfach als verdoppeltes
k. Wer will, kann analog
tz als die Verdoppelung von
z ansehen.
Weil es
schwierig ist, auf dem Computer eine schöne Tilde unter die
Konsonanten
l, r, s zu setzen, widme ich den Kombinationen
ll,
rr, ss spezielle Buchstaben. In Tolkien's Original-Modi
stehen sie für
ld, rd, ss.

Aus strenger linguistischer Sicht
könnte man argumentieren, dass sich die Wörter "Hüte"
und "Hütte" phonemisch nicht etwa in der Länge der
Konsonanten, sondern der Vokale unterscheiden. Sollte man daher
Doppelkonsonanten vermeiden und in der Elbenschrift lieber
"Hüüte" für Hüte und "Hüte" für
Hütte schreiben? Ich habe mich aus zwei
Gründen dagegen entschieden. Zum Einen sind sich Schreiber wie
Leser der Deutschen Sprache die traditionelle Schreibweise gewohnt; es
kostet
also beide einen Mehraufwand mit fraglichem Nutzen, die Wörter
erst in phonemische
Transkription zu übersetzen. Des Weiteren bietet die Elbenschrift
eine einfache und ästhetische Art, Konsonanten zu verdoppeln,
während die Dehnung von Vokalen durch
Tehta-Verdoppelung oder den langen
Vokalträger im Vergleich geradezu unansehnlich ist.
Tipp: Es
ist unfein, die Verdoppelungs- und Pränasalisierungszeichen dort
zu verwenden, wo sie die Grenze zwischen den
sinntragenden Bestandteilen eines zusammengesetzten Wortes
überschreiten würden. So soll man sehr wohl das
pp in "schmallippig" als ein
p mit der Verdoppelungstilde
wiedergeben; die
l's jedoch
sollten hier mit zwei einzelnen
l-Buchstaben
geschrieben werden, da sie den zwei unterschiedlichen Morphemen
"schmal" und "Lippe" angehören. Dies fördert die Lesbarkeit.
Wem solcherlei Details zu akademisch sind, der ignoriere diese Regel
getrost.
4. Vokale
Für die Deutsche Sprache
genügen die fünf
Standard-Vokalzeichen,
die Tolkien schon für Quenya verwendet hat. Natürlich
könnte
man für die Umlaute ä, ö, ü und für das
Ypsilon
zusätzliche Akzente erfinden; diese am Computer zu schreiben
wäre aber deutlich umständlicher, und auf Grund der
Ähnlichkeit der Akzente würde die Lesbarkeit leiden. Ich
empfehle, die Umlaute
einfach
als Diphthonge ai oi ui zu
schreiben. Das Ypsilon kann dann
je
nach Geschmack als i oder ui wiedergegeben werden.
Der kurze Vokalträger wird, wie
in der
Einleitung
erwähnt, dann eingesetzt, wenn kein Konsonant zur Verfügung
steht,
der das Vokalzeichen tragen könnte (zB am Wortanfang).
Der lange Vokalträger dient
dazu, einen Vokal als lange zu
markieren.
Lange Vokale sollte man also nicht wie in der Deutschen
Rechtschreibung
mit -h, durch Verdoppelung oder mit ie schreiben,
sondern wenn schon auf einen solchen langen Vokalträger setzen.
Die Benützung dieser langen
Vokalträger ist
aus
meiner Sicht nicht zwingend — schlisslich verstet man einen Text auch
one
di ausfürliche Bezeichnung der der Vokallänge, und das
Schriftbild
wird kompakter und fliessender. Ich empfehle, den langen
Vokalträger nur dort einzusetzen, wo sowieso ein Vokalträger
vonnöten ist, und anderswo keine Unterscheidung zu machen.
Das folgende Beispiel erläutert drei Möglichkeiten, das Wort
"Abendmahl" zu setzen. Im Beispiel (1) sind keine Vokallängen
schriftlich festgehalten; das Wort ist trotzdem problemlos lesbar, und
das Schriftbild ist angenehm sauber. Da das
a am Wortanfang die Benützung
eines Vokalträgers erzwingt, kann man die Gelegenheit nutzen, die
Länge des
a's durch die
Wahl des langen Vokalträgers zu unterstreichen (2). In (3)
schliesslich sind beide gedehnten
a's
mit langen Vokalträgern markiert — gewiss auch eine sinnvolle
Schreibweise, die jedoch das Schriftbild mit einer Vielzahl von
"Pfählen" durchsetzt und somit meines Erachtens auf Kosten der
Ästhetik geht.
5. Satzzeichen
Mit Satzzeichen ist Tengwar leider
nicht allzu reichlich gesegnet.
Glücklicherweise
bietet die Schrift Tengwar Parmaite eine Vielzahl von Symbolen, die
sich
für diesen Zweck eignen. Hier sind Tolkien's originale
Punktuation
und meine eigenen Vorschläge:
Wer dem Text gerne eine
mittelalterliche Note verleihen will, kann den einzelnen, zentrierten
Punkt auch
anstelle des Abstandes zwischen Wörtern verwenden:
Die oben vorgeschlagenen Zeichen
für das Satzende eignen sich im Gegensatz zum Punkt der
Lateinischen Schrift nicht, um Abkürzungen zu markieren. Hier
bietet es sich an, einen Punkt unter die Tengwar zu setzen. Als
spezielles Kürzel für die überaus häufigen
Wörter "und" und "ich" könnte man überdies dieTengwar
-u und
-i verwenden, die sonst nicht ohne
Tehtar auftreten. Solcherlei Spielereien sind natürlich vollkommen
fakultativ.
6. Beispieltext
Hier noch ein kleines Anschauungsbeispiel zum Deutschen Tengwar Modus.
Es
eignet sich zB auch hervorragend als Übung zum
Selbstübersetzen...
7. Links
http://at.mansbjorkman.net/
Die überaus schöne und praktische
Tengwar-Computerschrift "Tengwar
Parmaite" von Måns Björkman, die ich im vorliegenden
Dokument ausgiebig verwendet habe,
ist unter diesem Link erhältlich. Ebenfalls dort
gibt es Informationen über weitere Tengwar-Moden, kalligrafische
Varianten
des Schriftbilds, und vertikale Schreibstile. Sehr empfehlenswert.
2006 Christian Thalmann
www.cinga.ch